15.06.2013
15. Juni 2013: Netzwerkveranstaltung auf der DOC in Nürnberg
Im Rahmen des 126. Internationalen Kongresses der Deutschen Ophthalmochirurgen luden „Die Augenchirurginnen“ erneut zu einer gut besuchten Netzwerkveranstaltung ein. Nach einer Begrüßung seitens Bausch + Lomb und aktuellen Informationen zum Netzwerk durch das Gründungskomitee hielt Ina Colle, Projektkoordinatorin Vivantes Netzwerk für Gesundheit Berlin, einen Gastvortrag unter dem Titel „Neue Wege im Krankenhaus – Karriere und Familie vereinbaren“. In einem Interview sprachen „Die Augenchirurginnen“ mit ihr zu diesem Thema.
„Neue Wege im Krankenhaus – Karriere und Familie vereinbaren“
Interview mit Ina Colle (Projektkoordinatorin Vivantes Netzwerk für Gesundheit Berlin)
Die Augenchirurginnen: In der Ophthalmologie sind mittlerweile knapp 50 Prozent der Ophthalmologen weiblich, aber lediglich um die 15 Prozent schaffen den Sprung in die Ophthalmochirurgie. Frau Colle, wie ist die Situation im Vivantes Netzwerk?
Ina Colle: Ich beobachte eine ähnliche Situation. Die Anzahl der weiblichen Medizinstudierenden steigt, doch dies schlägt sich leider nicht in der Besetzung von Leitungspositionen insbesondere in der Chirurgie nieder. Bei Vivantes sind insgesamt 54 Prozent Frauen als Ärztinnen tätig, das ist sehr erfreulich. Wirft man jedoch einen Blick auf die Führungspositionen, dann kommen auch wir nur auf 13 Prozent Chefärztinnen. Im Netzwerk werden bis 2016 altersbedingt 17 Chefarztpositionen frei, eine davon auch in der Abteilung Ophthalmologie – eine gute Chance für die Augenchirurginnen, bei uns in die Chefetage einzuziehen.
Die Augenchirurginnen: Um Karrierewege von Frauen zu unterstützen und den steigenden Frauenanteil zu fördern, müssen in den Unternehmen und Organisationen Voraussetzungen geschaffen werden. Können Sie uns sagen, was auf dieser Ebene getan werden muss?
Ina Colle: Zuallererst müssen die Themen Frauenförderung und Vereinbarkeit Einzug in die Unternehmenspolitik finden, mit einer konkreten Zielvereinbarung und Selbstverpflichtung hinterlegt, und dann auch zertifiziert werden. Das Vivantes Netzwerk ist Mitglied im Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“ und hat sich durch das Audit „berufundfamilie“ von der Hertie-Stiftung zertifizieren lassen. Das ist ein anerkanntes Qualitätssiegel für familienbewusste Personalpolitik. Unsere Zielvereinbarung umfasst 70 Maßnahmen in acht Handlungsfeldern. Die kontinuierliche Umsetzung weisen wir in einem jährlichen Bericht nach. Darüber hinaus sollte das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie in das Führungskräfteentwicklungsprogramm aufgenommen werden, um bei den Entscheidungsträgern ein entsprechendes Bewusstsein zu bilden.
Die Augenchirurginnen: Mit welchen konkreten Maßnahmen setzt Vivantes sein erklärtes Ziel um, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern?
Ina Colle: Auf unserer Intranetseite „vivaFamilia“ informieren wir über alle internen Angebote zur Vereinbarkeit und halten nützliche Informationen, Links und Downloads zum Thema bereit. Die Seite ist auch von zu Hause aus für die Beschäftigten erreichbar.
Die Augenchirurginnen: Was bieten Sie an Betreuungsangeboten für Kinder? Gibt es da Krankenhausspezifische Gegebenheiten, die besonders beachtet werden müssen?
Ina Colle: Spät- und Nachtdienste zu besetzen wurde immer schwieriger – auch wegen fehlender Betreuungsangebote für Zeiten, die außerhalb der regulären Betreuung liegen. Bei der Konzeption der Kinderbetreuungsangebote legten wir daher besonderes Augenmerk darauf, Notfallsituationen und Randzeiten abzudecken. So bietet Vivantes seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Belegplätze in standortnahen Kindertagesstätten an. Auf dem Gelände des Vivantes-Klinikums in Berlin-Friedrichshain entsteht derzeit eine betrieblich geförderte Kindertagesstätte, in der ab August 2013 Kinder betreut werden. Mit „Kids Mobil“ haben wir einen flexiblen Kinderbetreuungsservice für den Notfall, den Vivantes in Kooperation mit einem privaten Kitaträger anbietet. Das Haus erwirbt jährlich ein festes Kontingent an Betreuungsstunden. Diese können genutzt werden, wenn die Regelbetreuung ausfällt oder jemand vertreten werden muss.
Die Augenchirurginnen: Die Betreuung von Kleinkindern scheint in Deutschland auf einem guten Weg zu sein. Mit 15 Wochen Schulferien im Jahr stehen Eltern aber auch vor der Herausforderung, ihre Schulkinder während der Arbeitszeit unterzubringen. Wie schätzen Sie die Situation hier ein?
Ina Colle: In Berlin stehen wir diesbezüglich nicht vor einem so großen Problem, da es viele Ganztagsschulen und die Möglichkeit der Hortbetreuung gibt. In anderen Bundesländern sieht das jedoch anders aus, und da besteht dringender Handlungsbedarf.
Die Augenchirurginnen: Ein weiterer Aspekt beim Thema „Familie und Beruf“ ist die Elternzeit. Laut dem Statistischen Bundesamt hat mehr als jeder vierte Vater der rund 663.000 im Jahr 2011 geborenen Kinder Elterngeld bezogen. Können Sie bei Vivantes eine ähnliche Tendenz beobachten?
Ina Colle: In 2012 haben bei Vivantes 58 Männer Elternzeit genommen, im ersten Halbjahr 2013 waren es bereits 32. Allerdings muss man dazusagen, dass die Väter überwiegend nur zwei Monate Elternzeit nehmen.
Die Augenchirurginnen: Woran liegt das und was muss sich ändern?
Ina Colle: Hier sind sowohl die Unternehmen als auch die Männer gefragt. Zum einen muss sich die Akzeptanz seitens der Unternehmensorganisation und der Kollegen bessern. Denn oftmals scheitert es daran, dass der Mann die Elternzeit nicht dann nehmen kann, wenn die Frau es braucht – z. B. wenn sie zurück in den Beruf möchte. An dieser Stelle könnten sich die Männer noch stärker durchsetzen, ihre Stimmen erheben und ihr Recht einfordern.
Die Augenchirurginnen: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Colle! Was möchten Sie den aufstrebenden Ophthalmologinnen in unserem Netzwerk abschließend mit auf den Weg geben?
Ina Colle: Netzwerke wie „Die Augenchirurginnen“ sind unglaublich wichtig. Sie bieten Frauen eine sinnvolle Unterstützung auf ihren Karrierewegen, helfen bei der Berufsplanung und schaffen Klarheit bei der beruflichen Entwicklung. Diese zu nutzen und sich im Netzwerk zu engagieren, möchte ich dem aufstrebenden Nachwuchs sehr ans Herz legen.